Erleben wir heute denn nicht in zunehmendem Maße eine übertriebene Tendenz, die Bedeutung der Tatsache des Lebens zu überschätzen — unserer scheinbaren Existenz als individuelle Phänomene? Es ist schon fast zu einer Maxime geworden, zu sagen, dass wir »nur ein Leben haben« und — wie sich von selbst versteht — »das Beste daraus machen müssen«.
Wo immer die Ursachen dafür liegen mögen, dies scheint wirklich unsinnig und völlig demoralisierend zu sein. An erster Stelle, ist da irgendein Anzeichen, geschweige denn eine Wahrscheinlichkeit, dass dies eine Tatsache ist? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass »wir« bei weitem zu viele Leben haben? Das ist auf jeden Fall die Ansicht der östlichen Mehrheit der menschlichen Rasse.
Und selbst wenn das überhaupt nicht stimmte, was bedeutet es, ein Leben zu leben, das der Zeitvorstellung unterworfen ist, und wer oder was »lebt« es? Die Idee von der »Heiligkeit des Lebens« — natürlich nur des menschlichen Lebens! — ist etwas ungleichmäßig über die Oberfläche des Globus verteilt.
Träumereien und dummes Zeug! Lasst uns herausfinden, wer wir tatsächlich sind — und dann werden die Wichtigkeit und die scheinbare Dauer dieser phänomenalen Erfahrung wirklich kaum noch eine Rolle spielen!
Leben ist nichts als Manifestation, die sich im Kontext der Raum-Zeit entfaltet und gänzlich hypothetisch ist. In Wirklichkeit gibt es kein wie auch immer geartetes Ding, das anfangen und aufhören, »geboren« werden oder »sterben« könnte, und unsere Erfahrung ist ein rein psychisches Phänomen.
»Ein langes Leben, und dazu ein lustiges!« Aber natürlich, warum auch nicht? Aber kommt es darauf an? Kümmern wir uns denn etwa um das lange Leben von Fischen?
Wei Wu Wei, „Das offenbare Geheimnis“